Gerade als ich aus Xining Richtung Tongren aufbrechen will, treffe ich Boon aus Australien. Er plant bis Chengdu dies selbe Route zu fahren und deshalb ist schnell klar, dass wir zusammen fahren werden. Der kleine Australier chinesisch-malayische Abstammung ist nicht nur körperlich ein Leichtgewicht. Auch sein Rennrad ist auf minimales Gewicht ausgelegt und bringt mit Gepäck höchstens 25kg auf die Waage. Das wird sicher schwer bei den bevorstehenden Bergetappen dran zu bleiben. Da Boon gerade in Xining angekommen ist, warte ich noch einen Tag bevor es weiter geht. Und wie es in den Hostel´s so ist, sitzt man am Abend mit Reisenden aus aller Welt beim Bierchen (oder die Öko´s mit Tee :->) zusammen und plaudert über „Gott und die Welt“. Wie es der Zufall will, bringt es am Abend ein altbekanntes Gesicht reingeschneit. Valentin aus Frankreich hatte ich bereits auf der südlichen Seidenstrasse einmal getroffen und wusste auch noch, dass er ebenfalls nach Chengdu und dann weiter nach Thailand fahren wollte. Es bedarf nur weniger Worte und dann besteht die Reisegruppe Xining – Chengdu aus 3 Leutchen.
Die nächsten Tage bis nach Chengdu werden wir Amdo durchqueren. Amdo war in vorchinesischer Zeit ein Teil Tibet´s und dementsprechend ist die Region von tibetischer Kultur gezeichnet. Sie erstreckt sich über die Provinzen Qinhai, Gansu und Sichuan. Überall findet man die mit Gebetsfahnen geschmückten Steinsetzungen und auch der Klosterkult ist extrem ausgeprägt. Kein Dorf ohne ein kleines Kloster, Pagode oder Chörte. Der größte Teil der Bevölkerung besteht aus Tibetern, ein kleinerer Teil aus den muslimischen Hui Chinesen und hier und da sieht man sogar mal eine Moschee.
Moschee inmitten des buddhistischen Kulturaumes vom Amdo
Als Aufwärmung starten wir, bei schönen Wetter und guter Strasse, von 2400m in Xining auf den ersten von unzähligen Pässen über 3500m. Leider dürfen wir nicht „oben“ bleiben und direkt nach der Passüberquerung geht es frierend wieder auf 2400m runter. Dort schlagen wir, nach einer kleinen Flussquerung bei der sich Valentin nasse Füsse holt, schließlich unser Zeltlager auf. Und weil es so schön war dürfen wir am nächsten Tag gleich wieder auf 3600m klettern. Wie erwartet fliegt uns Boon als Leichtgewichtler an den Anstiegen davon und darf als Belohnung die Aussicht auf der Passhöhe lange geniessen, während er auf die beiden Europäer wartet. Am Nachmittag erreichen wir Tongren und besuchen das Longwu Kloster, eines der ältesten aktiven Kloster in Amdo. Sehr interessant.
Haupthalle des Longwu Kloster
Über den nächsten 3500er radeln wir am nächsten Tag nach Xiahe und nehmen uns anschließend einen Tag frei um das Labrang Kloster zu besuchen. Mit den nicht offiziell registrierten Mönchen, zählt das Kloster geschätzt fast 3000 Mönche und bildet ein geistiges Zentrum buddhistischer Kultur. Alles Gelbmützen, mit denen ich im fast 7000km entfernten Elista (Russland) das erste Mal Kontakt hatte. Es ist unfassbar wie groß der Komplex aus über 40 Tempelhallen und 500 Kapellen ist und es unmöglich alles an einem Tag zu sehen.
Blick auf den Klosterkomplex in Xiahe
Von Xiahe starten wir bei schönen Wetter auf unseren vorerst letzten Aufstieg. Leider erweist sich die Route auf Nebenstrassen als unasphaltierte Schlammpiste, welche Boon mit seinem Rennrad fast zur Verzweiflung bringt. Aber das kleine Kerlchen aus Perth erweist sich als äußerst zäh, nur an seinem Gesicht kann man die Anstrengung der letzten 70 schlammigen Kilometer erkennen.
Nach dieser anstrengenden Strecke wollen wir nur noch schlafen und schlagen unser Zelt am Rande eines Weidezaunes inmitten der weiten Grasslandschaft auf. Doch bevor wir unseren verdienten Schlaf bekommen, gibt es noch eine nächtliche Ruhestörung durch einen Tibeter. Der behauptet doch tatsächlich, dass Land würde ihm gehören und wir hätten 80Yuan (10€) pro Person als Campinggebühr zu entrichten.
Daraufhin bekommt er eine wahre Sturmflut aus französischen, australischen und deutschen Beschimpfungen zu hören. Ich muss ein wenig schmunzeln, da sich die französischen Beschimpfungen von Valentin wie eine Liebeserklärung anhören. Weil wir unsere Ruhe haben wollen, geben die dem blöden Tibeter schließlich 30Yuan und er trapt mit seinem Gaul davon. So etwas ist mir bisher noch nicht passiert, dass einer Geld für´s Zelten verlangt und dann auch noch eine Summe, die für ein gutes Hotel gerreicht hätte.
Über Nacht ist es spürbar kälter geworden und die Räder und Zelte sind am Morgen mit einer weißen Schicht Frost gepudert. Doch mit einem guten Schlafsack und Isomatte sind die Temperaturen gut auszuhalten. Nur aufstehen und in die fast gefrorenen Radsachen schlüpfen ist, ich will mal sagen, etwas unangenehm. Leider ist Valentin das letzte Essen wohl nicht gut bekommen und nur mühsam quält er sich auf´s Rad. Nach den ersten Kilometern ist klar, dass es bei Ihm heute nix mit Rad fahren wird. Valentin besteht jedoch darauf, dass wir weiterfahren. Echt schade, durch das Radfahren und die gemeinsamen Erlebnisse freundet man sich wirklich schnell an. Es ist aber ziemlich wahrscheinlich, dass zumindest ich, ihn wiedersehen werde.
Über die wunderschönen grasbedeckten Hochebenen des Qilian Gebirges radeln wir 2 Tage lang bis nach Langmusi. Im Laufe der Strecke sind zu den unzähligen Chörten und Yak-Herden immer mehr Touristen dazu gekommen. Das liegt zum einen an der Nähe zur 10 Millionen Stadt Chengdu und zum Anderen am chin. Nationalfeiertag, mit dem alle Chinesen eine Woche frei haben. Golden Week nennt man das in China, obwohl die Hostelpreise in dieser Woche überhaupt nicht goldig sind. Deshalb finden wir in Langmusi auch nur nach einigem Suchen eine Unterkunft und das Städtchen ist von tausenden chinesischen Touristen belagert. Doch das tut der Schönheit diese Ortes, der von vielen Tempeln durchzogen ist, überhaupt keinen Abbruch. Während viele Touristen auf Wanderungen in die traumhaften Berge unterwegs sind und Boon sich auf den Rücken eines Pferdes schwingt, erkunde ich die nähere Umgebung und den Ort. Ich nehme einen tiefen Atemzug der stimmungsvollen Atmosphäre des uralten Tempelviertels und halte immer wieder inne um einfach nur zu genießen.
entspannender Spaziergang in Langmusi
Weitere 2 Tage geht es über die Hochebenen und weil es ständig leicht bergauf geht, wird es zunehmend kälter. Schließlich überqueren wir bei Eiseskälte den letzten Pass (3860m). Doch vorher übernachten wir noch bei einer tibetischen Familie, als wir sichtbar durchgefroren und bei einsetzendem Schneefall von der Dame des Hauses rein gewunken werden. Zum Abendessen gibt es, was das Land zu geben hat, Yak-Butter Tee und eine große Portion Yak-Fleisch. Ein überaus interessanter Besuch, auch wen wir zum Schluss doch etwas bezahlen mussten.
Nach der Passüberquerung geht es dann 300km abwärts Richtung Chengdu. Der Abfahrtsspass wird etwas getrübt durch starken Gegenwind und zunehmenden Verkehr. Besonders schlimm wird es zweiten Tag, als ich zusätzlich noch einige unbeleuchtete Tunnel durchqueren muss. Und zum ersten mal geht mir das andauernde Hupen so richtig auf den Geist. Jedes Manöver wird durch eine Hupton begleitet, besonders wenn es ein gefährliches Manöver ist. Das führt in kleineren Ortschaften zu einem Dauerhupton, da dort mit 100 Sachen durchgebraust wird und das ist devinitiv ein gefährliches Manöver. Echt nervig und so einige LKW Fahrer können ein paar ordentliche deutsche Flüche lernen, auch wenn´s die wahrscheinlich nicht kümmert. 100km vor Chengdu beginnt glücklicherweise die Autobahn und der Verkehr auf der Landstrasse und Mirko entspannen sich.
kleiner Zwischenstop in Songpan
So richtig entspannt wird nun auch in Chengdu. Mindestens 5 Tage Pause sind geplant, da die Visaverlängerung erneut ansteht, das Bike repariert werden muss (gebrochene Speiche) und die weitere Route geplant werden muss. Und diese weicht doch erheblich von der ursprünglichen Planung ab. So geht es nach Chengdu weiter nach Kunming in China dann ein paar Tage nach Laos -> Thailand -> Malaysia -> Singapur. Und wenn dann immer noch Zeit übrig ist, werde ich Boon in seiner Heimat besuchen :-)
herzlichste Grüße aus Chengdu
Mirko
Bilder: http://www.flickr.com/photos/87270050@N03/sets/72157631703733789/
André
Oktober 14th, 2012 um 21:14 Uhr