Die Nacht ist kurz am Grenzposten, da wir unser „Zimmer“ mit zwei dauerschnarschenden Uighuren teilen müssen und besonders Daniel hat wahrscheinlich überhaupt kein Auge zu getan. Ich habe mir mit Musik ein wenig Abhilfe geschafft, doch das laute Schnarchen dringt selbst durch die Kopfhörer. Ziemlich unausgeschlafen futtern wir unsere Frühstückseier und dann kommt auch schon unser freundlicher Grenzbeamte. Der ist heute aber leider gar nicht freundlich, da wir uns um 2 Stunden verspätet haben. „Kann nicht sein“ denken wir und dann fällt uns ein, dass da doch was mit der Zeit in China war. In ganz China ist nämlich Peking Zeit und die ist eben um 2 Stunden verschoben. Um so verwirrender ist, dass in der Provinz Xinijang auch noch Xinjiang Zeit benutzt wird, die eher der eigentlichen Zeitzone entspricht.
Während wir auf unseren LKW Transport warten, kommen die beiden Franzosen aus Sary Tasch an geradelt. Sie hatten eine ruhige Nacht im Zelt verbracht uns dürfen nun gemeinsam mit uns warten. Nach einer halben Stunde können wir unsere (mittlerweile) fünf Räder auf einen LKW laden. Allerdings kann immer nur eine Person im Lkw mitfahren und ich habe die Ehre im Radtransport mitzufahren, während die Anderen auf die nach kommenden LKW´s warten.
Nach 140km Fahrt durch bunte Berge, stehe ich schließlich mit fünf Fahrrädern vor dem eigentlichen Einreisecheckposten. Nur wenige Minuten später trudeln auch die Anderen ein und wir können uns der Einreiseprozedur unterziehen. Unser Gepäck wird erneut untersucht und der Pass zahllos oft vorgelegt, bis wir endlich offiziell in China sind. Auch der liebe Wilson durfte einreisen, doch leider musste der Arme durch den Scanner und ist noch völlig verwirrt.
Zu fünft radeln wir noch ein paar Kilometer und schlagen unser Lager an einem Fluss auf. Dass die Franzosen verrückt sind wird gleich unter Beweis gestellt und eine Gittare ausgepackt. Und dabei dachte ich immer, ich hätte zuviel Gepäck. :-)
Am nächsten Tag erreichen wir, nach relativ ereignisloser Fahrt, Kashgar. Für drei Tage bleibe ich im westlichsten Tor China´s. Das Hotel liegt direkt an der Altstadt, von der leider nur noch ein kleiner Teil erhalten ist. Durch die aggressive Siedlungspolitik wurde die ursprüngliche uighurische Kultur immer weiter zurück gedrängt. Die moslemischen Uighuren bilden jedoch immer noch eine großen Teil der Bevölkerung und das Gebiet rund um die Taklamakan Wüste ist ebenfalls „uighurisch“.Kashgar ist die heimliche Hauptstadt der Uighuren und deshalb fühlt man sich in der Altstadt viel mehr im nahen Osten als im fernen China, besonders wenn man gerade einen Kebab isst und der Muezin (keine Ahnung wie das geschrieben wird) zum Gebet ruft. In den alten Gassen betreiben Händler und Handwerker ihre Geschäfte wie sie es wahrscheinlich schon immer getan haben und ich fühle mich in die Zeit der alten Seidenstrassen zurück versetzt. Doch das moderne China liegt gleich einige Strassen weiter mir seinen Einkaufstempeln, Hochhäusern, chinesischem Kitsch und einer Mao Statue. Für mich ist Kashgar trotzdem absolut sehenswert und hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Dann ist es an der Zeit mich von meinen Mitreisenden zu verabschieden und weiter zu ziehen. An dieser Stelle noch ein Gruß an Mira und Daniel, war eine schöne Zeit und ich hoffe ihr seit gut in Islamabad angekommen. Die beiden Franzosen (hab leider die Namen vergessen) werde ich wohl nicht wieder sehen, obwohl sie auch Richtung Chengdu unterwegs sind. Aber die beiden wollen noch nach Australien und deshalb nehmen sie für die Strecke Kashgar – Chengdu lieber die Bahn.
Am frühen Nachmittag checke ich aus und gehe nochmal einen Kaffee im Karakoram Cafe schlürfen. Dabei treffe ich auf zwei in China lebende Schweizerinnen. sie empfehlen mir eindringlichst die Route entlang der südlichen Seidenstrasse zu nehmen, da diese altertümlicher und landschaftlich abwechslungsreicher ist. Eigentlich hatte ich die nördliche Route geplant, aber mir ist es gleich welche Route. Nach einer Kaffe langen Bedenkzeit ist die Entscheidung für die südliche Route gefallen. Man muss ja auch mal spontan sein und 1000km umplanen können. Also heisst der nächste Zwischenstop Hotan und nicht Aksu.
Die ersten Kilometer sind zäh wie Kaugummi, was sicher am Gegenwind und den wieder gestiegenen Temperaturen liegt. War es in den Bergen sehr angenehm, gibt es nun wieder 40° auf die Birne. Zum Glück ist es zeitweise bewölkt. Im ersten Hotel bin ich etwas verwundert, denn das Zimmer sieht fast genauso aus wie in Kashgar. Zuerst glaube ich noch an einen Zufall, doch wie ich später festellen muss sehen manche Hotelzimmer einfach gleich aus, chinesischer Einheitsstil nach Vorgabe. Die Strecke nach Hotan ist tatsächlich recht abwechslungsreich, nach Wüstenmaßstab natürlich. Sie wechselt von Steinwüste zu Sandwüste, dann wieder Felder und Savannen ähnliche Landschaft und aller 30-50km eine Oase. Zwischendurch gibt es auch einen ordentlichen Sandsturm aber zum Glück Richtung Fahrtrichtung. Da zeigt der gute Garmin schon mal über 40km/h an. Dafür habe ich nun jede Menge Sand im Zelt und im Gepäck. Außerdem macht Zelt aufbauen bei Sandsturm auch richtig Spass ;-)
Nach 5 Tagen erreiche ich Hotan und ich beschließe ein Teilstück bis nach Qiemo (500km) mit dem Bus zu überspringen werde. Dies ist der geänderten Routenführung geschuldet, da die Strecke etwas länger ist und es mit der Visaverlängerung knapp werden könnte. Ich möchte auch nicht zu spät in den Bergen ankommen, da es sonst zu kalt wird. In Hotan mache ich einen Tag Pause um die Busverbindung zu checken und den Sonntagsmarkt zu besuchen, der in Kashgar wegen der Feiertage zum Ende des Ramadan geschlossen war. Der Markt ist einfach nur ein wahnsinniger Auflauf von Menschen und an allen Ecken gibt es was zu entdecken. So werden Skorpione als Heilmittel auf der einen Seite verkauft während auf der anderen Seite eine Zahnoperation für Aufsehen sorgt. Ich halte das das Gewühle maximal 2 Stunden durch und probiere einiges von den zahlreichen Essenständen, bevor mir der Schädel brummt. Nach ein paar Einkäufen geht es zum Abendessen auf den Nachtmarkt. An zahllosen Essenständen kann man seine Fresslust ausleben, von gebraten Nudeln über Kebab und Spannferkel bis zu unendlich vielen Suppenvariationen. Besser als jedes Restaurant.
Einer der vielen Nachtmärkte in Hotan
Die Busfahrt ist unspektakulär, ausser dass ich für den Radtransport zusätzliche 200Y (ca.25€) an den Fahrer abdrücken muss. Davon war bei Ticketverkauf keine Rede und das Geld wandert auch direkt in des Busfahrers Tasche. Überall das Gleiche.
Am nächsten Tag freue ich mich endlich wieder auf dem Sattel zu sitzen und starte Richtung Ruoqiang. Die Strasse ist wie gewohnt gut und der Fahrer ist auch fit. Nach einer ruhigen Nacht im Zelt, weht am nächsten Morgen einer straffer Wind aus Osten, der ab Mittag plötzlich die Sonne mit jeder Menge Sand verdunkelt. Ein ausgewachsener Sandsturm stellt sich mir entgegen und mehr als 10km/h sind nicht drin. Bei diesem Sturm habe ich keine Lust im Zelt zu übernachten und halte an einer vermeindlich im Bau befindlichen „gated cummunity“, um heimlich in einem der Rohbauten zu übernachten. Doch als ich etwas näher komme tummeln sich einige Bauarbeiter und erste Einwohner zwischen den Häusern. Da ich einmal da bin, frage ich ob es denn nicht irgendeinen Schlafplatz für mich gibt. Nach einigen Diskussionen zwischen den Bauarbeitern wird mir freundlicher Weise eine kostenlose Bauarbeiterunterkunft zugesprochen. Ich habe schon in wesentlich schlechteren Hotelzimmern geschlafen! Alle meine Hoffnungen sind am nächsten Morgen zerstört, als der Sandsturm mit unverminderter Härte Richtung Westen stürmt. Mehr als 50km sind an einem solchen Tag nicht drin, zumal ich noch von 2 platten Reifen geplagt werde. Ich hätte doch auf Daniel hören sollen und in Kashgar einen neuen Reifen auf das Hinterrad ziehen sollen. Der Reifen ist nämlich nun endgültig hinüber und ich verschließe das darin klaffende Loch provisorisch mit einem herumliegenden Motorradschlauch. Das muss bis Ruoqiang halten, in der Hoffnung dort einen neuen Reifen kaufen zu können. Zum Glück gibt es in einem kleinen Städtchen ein Hotel indem ich dem Sandsturm, zumindest für die Nacht, entfliehen kann. Komischerweise haben die extrem widrigen Bedingungen meine Motivation richtig angeheizt, nach dem Motto „jetzt erst recht“. Am nächsten Morgen hat der Sturm etwas abgeflaut und die restlichen Kilometer nach Ruoqiang sind am Nachmittag bewältigt. Auf dem Weg treffe ich wieder 2 Franzosen und wir fahren ein Stück gemeinsam, bis sich unsere Wege in Ruoqiang, nach 3 Abschlussbier, trennen. Ich bleibe einen Tag in der kleinen Neubaustadt um neue Reifen zu besorgen. Danach geht es dann noch einen Tag durch die Wüste und dann endlich wieder in die Berge. Ich freu mich schon!
glückliche Grüße in die Heimat
Mirko
geschrieben in Ruoqiang
aktueller Standort Dunhuang, neuen Bericht dazu gibt es bestimmt bald :-)
Fotoserie: bin nun aufgrund der China Blockadezu flickr gewechselt.
http://www.flickr.com/photos/87270050@N03/sets/72157631547937777/
André
September 10th, 2012 um 19:32 Uhr