Und weitere 700km geht es von Atyrau nach Aktöbe im Nordosten. Die erste Etappe radel ich über gute Strasse bis nach Dosser. Doch schon wartet die erste Überraschung. Gerade als ich das Zelt vor der „Stadt“ aufschlage, taucht ein Polizeiwagen auf und die Beamten warnen mich eindringlichst davor hier zu campieren. Zu gefährlich, Erschiessung..tot. Das ist sicherlich übertrieben, aber in Zeichensprache leicht auszudrücken. Ich folge natürlich dem Rat der Militia und fahre mit Polizeieskorte zur nächsten „Kostiniza“. So entfällt wenigstens die Suche und die Fragerei.
Dort teile ich mir einen Schlafsaal mit einem Motorradtourer aus Spanien, Rapier. Er ist gerade auf dem Rückweg, entlang meiner geplanten Route, von Kirgistan nach Hause. Und der arme Kerl hat richtig die Schnauze voll. Die Hitze und die Strassenverhältnisse haben ihn völlig zermürbt. Zitat: „Kirgistan is paradise, Kasachstan is hell and i´m not a strong man“. Na da ist ja alles gut.
Nach einem gemeinsamen Abendessen starte ich am nächsten Morgen frohen Mutes Richtung Hölle. Tatsächlich ist die Strasse ab Dosser fast unbefahrbar. Die Beschaffenheit wechselt von kleinwagengroßen Schlaglöchern zu Schotter- und Buckelpiste. Auch Kombinationen sind möglich :-(Deshalb weiche ich auf die Sandpisten parallel der Straße aus. Ein Kilometer breites Netz ist dort im Laufe der Zeit entstanden.
Zum Glück bleibe ich von der großen Hitze verschont, da es fast durchgehend bewölkt ist. Das heisst allerdings auch, dass von Zeit zu Zeit wolkenbruchartige Niederschläge niedergehen. Irgendwie gibt es glücklicherweise meistens gerade einen Unterstand. Das sorgt nun wieder für Menschenansammlungen und ich muss Rede und Antwort stehen. Daran habe ich mich mittlerweile gewohnt. Aber manchmal nervt es auch, zum hundertsten mal die gleiche Frage zu beantworten.
Leider sind die Sandpisten nach den Wolkenbrüche für mich nicht mehr befahrbar, eine einzige Schlammschlacht. Dann fahre ich auf der FAST unbefahrbaren Strasse. Eine Qual für Fahrer und Bike. So geht es nun Tag um Tag.
Unter dem monotonen rattern der Kette, verstummen so manches Mal die letzten bewussten Gedanken und ich DENKE nichts mehr. In diesen Momenten scheint mein ganzens Sein auf einen winzigen Punkt zu schrumpfen und ich FÜHLE mich nur noch unendlich frei und glücklich. Eine einzigartige Erfahrung! Jegliches Zeitgefühl geht dabei verloren und wenn ich wieder einen bewussten Gedanken fasse ist eine Stunde vergangen und weitere 20km Kasachstan unter mit durchgerollt.
Das Zelt bleibt während der ganzen Strecke eingepackt. Aller 60-80km gibt es eine Ortschaft mit einem „Cafe“ und die meisten bieten einfache Schlafplätze an. Sehr günstig (2,50€) und ich spare mir das lästige Auf/Abbauen des Zeltes. Außerdem gibt es auch gleich noch ein warmes Abendessen für wenig Geld (ebenfalls ca. 2,50€)
An einem dieser Stopp´s treffe ich die beiden „Ölsucher“ Nikolai und Stephan. Die beiden sind mit Ihrem hochmodernen Öl-Explorer Truck unterwegs, auf der Suche nach neuen Förderstätten. Bis in die späte Nacht hinein sitzen wir im Truck, trinken Bier und unterhalten uns über das Ölgeschäft, Kasachstan und „Gott und die Welt“.
Nach 6 Tagen erreiche ich Aktöbe. Eine Business-Stadt in der sich auch alles um das Ölgeschäft dreht. Ein paar Businesscenter und Einkaufszentren für die langsam wachsende Mittelschicht. Allerdings gibt es einen schönen belebten Markt und die Stadt ist ein Haltepunkt für viele Fernzüge. Als ich gerade am Hauptbahnhof vorbei schlendere rollt der Fernzug Moskau-Tashkent ein und ich halte kurz inne um das bunte Treiben zu beobachten, welches sich aus den Wagons entlädt.
Für eine kurze Regeneration gönne ich mir 2 freie Tage in Aktöbe. Leider ist der „Internetanschluss“ der Stadt nicht gerade berauschend, aber daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen. Nach Aktöbe geht es dann wieder Richtung Südenosten und die nächsten Stationen heißen Aralsk und Baikonur. Leider wird aus meinem Besuch des Cosmodrom nichts, da frühzeitige Anmeldung und Genehmigung dafür notwendig sind. Da muss ich mir den Start der Sojus zur ISS eben von ein paar Kilometer Entfernung ansehen. :-)
aktueller Kilometerstand: ca.5800km
Bildchen: https://picasaweb.google.com/110249646880249006150/Westkasachstan
André
Juni 26th, 2012 um 10:35 Uhr